Dieser Text gehört zum Projekt „Über Utopie und Transformation neu nachdenken“.
Problem: Abhängigkeit von der Bestimmung der Gegenwart
Das Beispiel mit der Entstehung des Kapitalismus offenbart eine wichtige Problematik dieses Vorgehens für historische Darstellungen und Erklärungen: Es hängt außerordentlich von der Fassung des letztlich erreichten Zustandes ab, welche Faktoren in der historischen Untersuchung überhaupt betrachtet werden. „Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen“ schreibt Marx dazu (MEW 42: 39). Was ist nun aber die „Anatomie des Kapitalismus“? Für Simon und Stefan ist das Wesentliche des Kapitalismus der verallgemeinerte Tauschzwang.
Deshalb fokussieren sie ihre Aufmerksamkeit bei der Betrachtung der historischen Entwicklung folgerichtig auf die Tauschverhältnisse und schränken ihre Perspektive darauf ein. Bis in den Feudalismus hinein ist der Tausch nur „ein untergeordnetes Prinzip“ (S&S: 207). Der Dominanzwechsel zum Kapitalismus fand dann „an einem spezifischen Punkt in der Geschichte in einem Land […], in England, als die Pachten für das Land zunehmend vom Markt geregelt wurden“ (ebd.: 208) statt. Damit beziehen sie sich auf eine Argumentation von Ellen M. Wood (2015). Diese kennzeichnet als „entscheide[n] Faktor […] die Herausbildung bestimmter Eigentumsverhältnisse, die Marktimperative hervorbrachten“ (ebd.: 92). Dabei geht Wood durchaus auf zusätzliche vorhergehende Bedingungen ein (ebd.: 117). Denn woher kamen denn diese „bestimmten Eigentumsverhältnisse“? Wood selbst bezieht sich auf die sog. „Brenner-Debatte“ (vgl. Brenner 1976/95, 1982/93) und bei Brenner wird klar herausgearbeitet, dass die bestimmten Eigentumsverhältnisse, die sich in England von denen in anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich unterschieden, die Folge von Klassenkämpfen und dementsprechenden Kräfteverhältnissen waren (vgl. Wood 2015: 74). Damit wird deutlich, dass die Beschränkung in der Kapitalentstehungstheorie von Simon und Stefan auf den Tausch zu vereinfachend ist, weil wichtige Faktoren gar nicht einbezogen werden. Wenn andere Faktoren wie auch die Klassen-, Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse einbezogen werden (wie noch bei Wood selbst), bezieht sich eine entsprechende Geschichtsbetrachtung auf andere Prozesse und verwendet andere Begriffe.
Problem: Einlinigkeit
Die Einengung auf den Tausch – auch die dementsprechende selektive Bezugnahme auf Wood – entsteht aufgrund der Tatsache, dass entsprechend dem Keimformkonzept nach genau einer bestimmten Keimform gesucht wird, die letztlich schon dem entspricht, was als Spezifik der zu erklärenden gegenwärtigen Gesellschaftsform Kapitalismus vorher festgelegt war. Dies funktioniert, wenn lediglich logisch-systematisch eine „Elementarform“ als Ausgangsabstraktion (wie die „Ware“ für die dialektisch-systematische Darstellung des Kapitalismus wie in Marxens „Kapital“) verwendet wird (MEW 23, vgl. auch Meretz 2014b). Für eine historische Analyse ist eine solche Einschränkung jedoch nicht angemessen, weil zu jeder Zeit viele Faktoren beteiligt sind (vor allem das von Marx genannte „historische Milieu“), deren jeweilige Bedeutung konkret herausanalysiert werden muss und weil es Möglichkeitsfelder für verschiedene mögliche weitere Entwicklungen gibt, die in der Keimform-Perspektive systematisch beschnitten werden.
Problem: Verlust der Möglichkeitsfelder
Besonders fatal ist das beim Verlust des historisch-konkreten Möglichkeitsfelds in jeder Gegenwärtigkeit. Wenn aus der Fünfschrittheuristik zur Rekonstruktion eines einzelnen Entwicklungspfades mit der Absicht der Gewinnung von Begriffen eine Geschichtstheorie gemacht wird, so überträgt sich auch die Einlinigkeit. Es wird immer nur jene Möglichkeit, die sich später verwirklicht hat, betrachtet – das historisch jeweils zu jedem Zeitpunkt vorliegende Möglichkeitsfeld und die Bedingungen bzw. Strategien bei der Durchsetzung jener Möglichkeit, die sich schließlich verwirklicht hat, bleiben außerhalb jeder Betrachtung.
Natürlich wissen wir im Nachhinein nicht, wie wahrscheinlich auch andere Entwicklungswege gewesen wären. Für die Entstehung des fränkischen Feudalismus nimmt etwa Engels an, dass ohne den Einfluss der gentilen Gesellschaftsverfassung für ehemalige römische Provinzen auch eine „normännisch-sarazenische Unterjochung“ möglich gewesen wäre (Engels 1884a/MEW 21: 149).
Problem: Reduzierung der Sicht auf die Vielfalt der Faktoren
Welche Möglichkeiten das Möglichkeitsfeld bilden und welche davon sich verwirklicht, hängt entscheidend von den Bedingungen ab und wie diese im Handeln der Menschen verändert werden. Die Bedingungen und das Handeln haben viele Dimensionen, d.h. viele Faktoren nehmen Einfluss. Individuelle Handlungsgründe, geteilte und mehr oder wenig organisierte (auch Klassen-)Interessen, Grad und Form der Arbeitsteilung, Eigentumsverhältnisse, Mentalitäten etc., etc..
In unterschiedlichen geschichtlichen Prozessen wird die Gewichtung der Bedeutung der vielen Faktoren auch unterschiedlich sein. Welche in welcher Weise wirken kann nur konkret untersucht und nicht theoretisch vorentschieden werden. Grundsätzlich orientiert eine materialistische Geschichtstheorie primär auf jene Faktoren, die mit der materiellen Reproduktion der Gesellschaft zu tun haben. Diese sind es vor allem, die das Möglichkeitsfeld daraufhin beschränken, was materiell realisierbar ist.
„Diese vorgefundenen Lebensbedingungen der verschiedenen Generationen entscheiden auch, ob die periodisch in der Geschichte wiederkehrende revolutionäre Erschütterung stark genug sein wird oder nicht, die Basis alles Bestehenden umzuwerfen, und wenn diese materiellen Elemente einer totalen Umwälzung, nämlich einerseits die vorhandnen Produktivkräfte, andrerseits die Bildung einer revolutionären Masse, die nicht nur gegen einzelne Bedingungen der bisherigen Gesellschaft, sondern gegen die bisherige „Lebensproduktion“ selbst, die „Gesamttätigkeit“, worauf sie basierte, revolutioniert – nicht vorhanden sind, so ist es ganz gleichgültig für die praktische Entwicklung, ob die Idee dieser Umwälzung schon hundertmal ausgesprochen ist – wie die Geschichte des Kommunismus dies bewies.“ (MEW 3, DI: 38-39)
Problem: Finalistische Perspektive
Eine Verwendung der logisch-systematischen Methode nach Marx als logisch-historisches Analyseinstrument übernimmt dessen finalistische Perspektive. Alles Frühere wird dann nur als Vorform des Jetzigen betrachtet. Darin besteht die Gefahr, die Marx und Engels bereits als spekulative Verdrehung „daß die spätere Geschichte zum Zwecke der früheren gemacht wird“ (MEW 3, DI: 45), erkannt haben, „wodurch dann die Geschichte ihre aparten Zwecke erhält […], während das, was man mit den Worten „Bestimmung“, „Zweck“, „Keim“, „Idee“ der früheren Geschichte bezeichnet, weiter nichts ist als eine Abstraktion von der späteren Geschichte, eine Abstraktion von dem aktiven Einfluß, den die frühere Geschichte auf die spätere ausübt.“ (MEW 3, DI: 45). Alles, was nicht von der Zukunft „bestimmt“ wird, wird dann übersehen, vor allem qualitative Unterschiede, weil das Gegenwärtige systematisch in die Vergangenheit projiziert wird. So verkennt z.B. eine solche Geschichte der menschlichen Individualität die Besonderheit der Individualität in früheren Zeiten, soweit sie nicht den derzeitigen Vorstellungen entsprechen.
„So bleiben heutige Vorstellungen von „Individualität oder „Persönlichkeit“ der Ausgangspunkt, und die historische Analyse reduziert sich auf die Frage, wieviel davon zu einer bestimmten Zeit schon realisiert ist. […] Folglich erkennen wir uns in mittelalterlichen Menschen wieder, bevor wir auch nur annähernd sie wahrgenommen haben.“ (Sonntag 1999: 69)
Auch bei anderen Darstellungen der Geschichte als Geschichte auf dem Weg zu einer (meist als erfolgreich dargestellten) Gegenwart, ist zu fragen, „wieviel an Leben und Interesse büßt eine Geschichte ein, die all die Zufälle, Anbrüche, Novationen übergeht?“ (Febvre 1933/1988: 15).
„Ungewollt hat man die heiße Gegenwart auf kältere Jahrhunderte übertragen. Dort findet man sie dann prompt wieder. Eine regressive Methode, auch wenn man das nicht wahrhaben will.“ (ebd.)
Alles, was nicht auf diesem Weg in die Jetztzeit zu verorten ist, geht in der historischen Betrachtung verloren.
Not-Wendigkeit statt Determinismus?
Häufig gibt es durchaus die Not-Wendigkeit, die bisherigen gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern:
„Um des erzielten Resultats nicht verlustig zu gehen, um die Früchte der Zivilisation nicht zu verlieren, sind die Menschen gezwungen, sobald die Art und Weise ihres Verkehrs [commerce] den erworbenen Produktivkräften nicht mehr entspricht, alle ihre überkommenen Gesellschaftsformen zu ändern.“ (MEW 4/BA: 549)
Es kann aber nicht angenommen werden, dass Menschen immer diesem „Zwang der Not-Wendigkeit“ folgen. Typisch für die Geschichte ist eher, dass sich die Menschen diesem Zwang nicht stellen, sondern sie verloren dann ihre „erzielten Resultate“ tatsächlich…. und woanders ging die Geschichte weiter. Für die Geschichte gilt wohl wie in der Biologie: dass das Neue eher an den Rändern des Alten, an unerwarteten Stellen, nicht an den Stellen des vorher höchsten Entwicklungsstandes entstehen und sich durchsetzen konnte und die vorher höchstentwickelten Bereiche zurückfielen in Stagnation und Regression. An manchen Stellen, und für die Weltgeschichte genügt eine einzige, entsteht dann im Laufe der Zeit trotzdem aus den Trümmern das Alten und weiteren Einflüssen etwas Neues (wie bei der Entstehung des Feudalismus), wenn auch erst nach längerer Zeit. Wenn nur der „Weg nach oben“ betrachtet wird, so werden solche Zwischenphasen systematisch unterbewertet und es entsteht ein falsches Bild des geschichtlichen Verlaufs. Unterschätzt wird meist auch die Möglichkeit, solchen Not-Wendigkeiten auf unterschiedliche Weise begegnen zu können. Gesehen wird nur der eine Weg, der dann schließlich beschritten wurde.
Problem: „Träger“ der Irreversibilität
Holzkamp verwies auf die Bedeutung eines genomischen Trägers für die Annahme, „im Gegenwärtigen seien alle psychischen Differenzierungen von der ñGrundformá an und alle dabei hervorgetretenen qualitativen Umschläge als Ergebnis eines kontinuierlich-unumkehrbaren Prozesses präsent bzw. aufgehoben“ (Holzkamp 1983: 57). Was verbürgt die Unumkehrbarkeit des geschichtlichen Prozesses?
Bei Hegel ist es die Vernunft, die sich in aller Geschichte zeigt und durchsetzt. Eine Geschichtsforschung ist nach Hegel nur sinnvoll, wenn sich eine Vernunft durch die Geschichte zieht, denn wenn es sie nicht gäbe, könnte unsere Vernunft in der Geschichte darin nichts ihr Entsprechendes erkennen. Dass es sie gibt, wird aber nicht einfach vorausgesetzt, sondern muss sich in der Untersuchung der Geschichte selbst ergeben:
„Dies muß, wie gesagt, das Ergebnis der Geschichte sein. Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist; wir haben historisch, empirisch zu verfahren.“ (HW 12: 22)
Als Richtungsorientierung gilt bei Hegel das „Bewusstsein der Freiheit“ (ebd.: 76). Wenn man seine „Philosophie der Geschichte“ (HW 12) liest, kann man nachverfolgen, wie jeweils die Menschen in den verschiedenen Kulturen ihr Tun selbst reflektieren (dies wird dann bei Hegel als „Volksgeist“ bezeichnet) und dadurch, „indem er sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die Bestimmtheit seines Seins zerstört, anderseits das Allgemeine desselben erfaßt und dadurch seinem Prinzip eine neue Bestimmung gibt“ (ebd.: 104), ist er über den vorherigen Entwicklungsstand schon hinaus. Wenn der Geist in der Geschichte einmal eine bestimmte Entwicklungshöhe erreicht hat, wenn Menschen bestimmte Formen der Freiheit errungen und erfahren haben, fällt – so eine Erkenntnis aus seinen geschichtlichen Studien – die Menschheit niemals als Ganzes wieder hinter diesen erreichten Stand zurück, sondern irgendwann und irgendwo werden durch die Reflexion auf den erreichten Stand wiederum Beschränkungen erkannt und damit überschritten.
In der marxschen Geschichtstheorie wird der „Träger“ des jeweils Erreichten und Verbesserbaren vor allem im Stand der Produktivkraftentwicklung gesehen, wobei die Produktivkräfte wesentlich in den jeweiligen Fähigkeiten der gesellschaftlich re-/produzierenden Menschen bestehen. Im Buch „Kapitalismus aufheben“ wird auf eine Betrachtung von Bedingungen der Höherentwicklung verzichtet, ihre Bedeutung negiert, deshalb wird auch nichts über die Entwicklung der Produktivkräfte geschrieben.
Entgegen zu vereinfachten, verdinglichten und automatisierten Vorstellungen über die Produktivkraftentwicklung ist es aber sicher sinnvoll, dieses Konzept weiter zu entwickeln.
Problem: Verschleierung der Sicht auf Kämpfe
Während es in der kosmisch-geologischen und der biotischen Entwicklung weniger zu aktiven Gegensätzen von Altem und Neuem kommt, so sind diese in der Geschichte bisher wesentlich. Im Fünfschrittkonzept wird nur verfolgt, wie eine Keimform schließlich dominant wird. Im Buch von Simon und Stefan wird zwar an einer Stelle die Formulierung verwendet, dass sich die neue Funktion „durchsetzt“ (S&S: 205), aber es wird überhaupt nicht thematisiert, wogegen und wie sich dies in der Geschichte üblicherweise vollzieht. Es wirkt so, als käme es nur darauf an, dass der Keim da ist, wächst und schließlich dominiert. Auch beim Beispiel der Entstehung des Kapitalismus wirkt es bei Simon und Stefan so, als würde sich die Kapitalisierung der Landwirtschaft in England im späten 15. Jhd. ziemlich naturwüchsig ereignen. Die Märkte dringen in die Produktion der Nahrung ein, aber wie? Welche Akteure werden bei Wood genannt? Einmal „England“, das große Anstrengungen unternommen hatte, um die Fragmentierung des Staates zu beseitigen (Wood 2015: 116), danach noch einmal der „Staat der herrschenden Klasse“ und „die Aristokratie“ (ebd.: 117). Später tauchen noch Pächter auf, diese jedoch nur noch als passiv reagierende, denn sie „waren gezwungen, nicht nur auf einem Markt um Konsumenten zu konkurrieren, sondern auf einem Markt für den Zugang zu Land“ (ebd.: 119). Damit werden alle Kämpfe um die Verteilung der Macht verschwiegen, das Ganze erscheint als Automatismus. Bei Brenner las sich das noch anders. Hier wurde ausführlich beschrieben, wie das Kräfteverhältnis zugunsten der Herrschenden, dessen Folgen bei Wood in ihrer Wirkung beschrieben werden, in langen Kämpfen herbeigeführt wurde. Das Ausblenden dieser Kämpfe und der Ungewissheit ihres Ausgangs bestärkt eine logifizierende und andere Möglichkeiten ausblendende Geschichtsbetrachtung.
Wenn diese Form der Entstehung von Neuem verallgemeinert wird, dann entsteht die Vorstellung, das Neue bräuchte sich nach seiner erstmaligen Entstehung nur immer noch weiter ausbreiten und es müsse sich keinen Widerständen gegenüber behaupten. So verläuft Geschichte jedoch nicht. Die Durchsetzung von neuen Gesellschaftsformen war immer begleitet von Kämpfen gegen die vorherigen Machtsysteme. Wie Simon schon 2014 schrieb: „Keine geschichtliche Entwicklung ist bis jetzt ohne Widerstand abgelaufen“ (Sutter 2014).
Es wäre auch fatal, den später Unterlegenen ihren Subjektstatus zu rauben, indem ihnen nur die reagierende Rolle als „Gezwungene“ (s.o. bei Wood) zugesprochen wird. Die Art und Weise der Kämpfe und ihrer Ergebnisse flossen in die konkrete Ausgestaltung der jeweils neuen Gesellschaftsform und damit der Lebens- und weiteren Kampfbedingungen mit ein.
„Die Bauern wurden nicht zum einfachen Ausbeutungsobjekt der herrschenden Klasse des Feudaladels, sondern zum historischen Subjekt in der Ausbildung der ökonomischen Beziehungen und der politischen Bedingungen des Klassenkampfs.“ (Herrmann 1986: 146)
Historisch gesehen ist auch die in der Aufhebungstheorie von Simon und Stefan gestellte Forderung, den Weg und das Ziel nicht zu trennen, nicht haltbar (S&S: 241). Natürlich mussten die Bauern in ihren Kämpfen ihre Ländereien verlassen und kämpfen. Nur so erreichten die Sachsen und Friesen im 8. Jahrhundert, dass sie nicht als Fronbauern geknechtet wurden, sondern „nur“ Abgaben leisten mussten; nur so erreichten es die Bauern in den späteren Bauernkriegen, dass trotz der Niederlagen sich danach ihre rechtlichen Möglichkeiten, gegen Missstände auch erfolgreich zu klagen, deutlich verbesserten. Das sind zwar „nur“ Veränderungen innerhalb der insgesamt siegreichen neuen Gesellschaftsformation Feudalismus, aber sie prägen die Lebens- und weiteren Kampfbedingungen der Menschen entscheidend und sind deshalb nicht klein zu reden. Insofern werden Vorbedingungen für weitere Fortschritte durchaus auch auf Kampffeldern errungen, auf denen die Befreiung noch nicht unmittelbar erfolgen kann.
Mai 4, 2019 at 4:25 pm
In den 1960-ern wurde die Nebelbombe „Manager herrschten jetzt“ erfunden, um von den Eigentums- und also Klassenverhältnissen abzulenken. Dabei offenbart jede Haupt- oder Gesellschafterversammlung das Gegenteil.
Mai 4, 2019 at 4:28 pm
AS:
„Die Bauern wurden nicht zum einfachen Ausbeutungsobjekt der herrschenden Klasse des Feudaladels, sondern zum historischen Subjekt in der Ausbildung der ökonomischen Beziehungen und der politischen Bedingungen des Klassenkampfs.“ (Herrmann 1986: 146)
PE:
Meine Mutter, Lieselott Enders, hat in ihren Forschungen zur Geschichte Brandenburgs ebenfalls hervorgehoben, dass „die schlauen Bäuerlein“ im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten durchaus ihre Interessen zu vertreten wussten.
Mai 4, 2019 at 4:34 pm
Die obige Diskussion bezieht sich, wenn ich richtig verstehe, auf die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals durch Einhegungen in England. Deshalb weise ich erneut auf die Untersuchungen von Thomas Kuczinsky hin, der die Anfänge des Kapitalismus viel früher in Italien sieht, in den Manufakturen zur Wollverarbeitung.
Mai 4, 2019 at 8:17 pm
Die Entwicklungen in Italien sind da schon mit bedacht. Gerade Kuczynski erklärt ja aber auch, dass es eben von da aus nicht wirklich weiter gegangen ist mit dem Kapitalismus, sich nicht ausgebreitet hat… während es nach den Umwälzungen in England dann von da aus weiter gegangen ist…
Es kommt ja nicht drauf an, ob es was Ähnliches irgend wo schon mal gegeben hat, sondern ob die Entwicklung von da aus kontinuierlich weiter ging….
Mai 4, 2019 at 4:38 pm
Es wäre amüsant, zu beobachten, wie Autoren glauben, schlauer als Newton zu sein, wenn es nicht traurig, lächerlich, schädlich wäre.
Mai 4, 2019 at 8:17 pm
Was hat das mit Newton zu tun?
Mai 5, 2019 at 6:02 am
Analogie zu Marx
Mai 5, 2019 at 8:28 am
Ich denke schon, dass Marxens Theorie nicht so gut bestätigt ist wie die Newtonsche. In der Gesellschaftstheorie ist der Gegenstand komplexer, er verändert sich historisch…
Mai 5, 2019 at 1:27 pm
„The \textit{Principia} is a scientific work and not a bible. One should study
it and ponder, admire — yes! — but not swear on it. One finds in it novelties
and repetitions, an elegant perfection, but also mistakes, enlightening conciseness and superfluous detours, extraordinary requirements on rigor,
but also incompleteness of the logic, the clearance of earlier posed hypotheses and the introduction of unexplained new assumptions.“
Clifford Ambrose Truesdell (1919 – 2000), Essays in the History of Mechanics, 1968, p. 88 (quoted after Simonyi, Kulturgeschichte der Physik, 1990, p. 296)
Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als gemeinhin bekannt. Es dauerte Jahrzehnte bis zur allgemeinen Anerkennung der Newtonschen Darstellung der Mechanik. Und nach wie vor glauben die meisten Physiker, Newton besser zu verstehen als dieser selbst, indem sie für das 2. Newtonsche Axiom
Kraft = Masse mal Beschleunigung
schreiben, obwohl bei Newton
Impulsänderung is proportional zur äußeren Kraft
steht.
Mai 5, 2019 at 1:36 pm
PS: U. a. sucht Wissenschaft nach Gesetzen und den Bedingungen ihrer Gültigkeit. Das ist in den Gesellschaftswissenschaften nicht anders als den Naturwissenschaften. Den Hauptunterschied sehe ich in der Durchführbarkeit von Experimenten. Auch die Gegenstände der Naturwissenschaften entwickeln und erweitern sich.
Mai 6, 2019 at 9:24 am
Die „Gesetze“ sind aber nicht so einfach gestrickt wie in der Naturwissenschaft. Was z.B. sind die „Grundgrößen“? Und: sie verändern sich historisch viel schneller als vielleicht die physikalischen. Ich würde da nicht zu viel vereinfachen wollen um der Gemeinsamkeiten willen. Was Wissenschaft vor anderem Anschauen oder Denken auszeichnet, ist, dass sie wesentliche Zusammenhänge (das sind letztlich die „Gesetze“) erkennbar macht, die man auf den ersten Blick weder in der Natur noch der Gesellschaft ohne sie sehen/erkennen würde. WIE sie das konkret macht, das kann für jeden Gegenstandsbereich und jede Wissenschaft sehr unterschiedlich sein. Man kann Marxens „Kapital“ wirklich nicht gut, außer in allerallgemeinsten Zügen, mit einer physikalischen Theorie vergleichen.
Mai 6, 2019 at 3:58 pm
AS:
Die „Gesetze“ sind aber nicht so einfach gestrickt wie in der Naturwissenschaft.
PE:
Was ist einfach? Wie viele Jahrhunderte wurde Mechanik betrieben, bis das erste aus heutiger Sicht akzeptable Axiomensystem formuliert wurde? Und in der modernen Physik wird es kaum noch benutzt. (Die ideologische Abkehr von ihm hat auch zu Fehlentwicklungen geführt.) Dagegen gibt es die Politische Ökonomie erst seit sehr kurzer Zeit. Und naturgemäß wird die Entwicklung der Gesellschaftswissenschaften noch stärker durch ideologische und politische Interessen behindert als die der Naturwissenschaften. (Wenn Frau Maiers Kind aussieht wie Herr Maier, hat Mendel recht – sieht es dagegen aus wie Nachbar Schulz, hat Lyssenko recht.)
AS:
Was z.B. sind die „Grundgrößen“?
PE:
Auch deren Herausarbeitung hat in der Klassischen Mechanik Jahrtausende gedauert. Noch bei Descartes gehörte zu ihnen der Betrag des Impulses (obwohl damit nicht alle Fälle des elastischen Stoßes richtig beschrieben werden können, doch hat er selbst nicht experimentiert). Und auch heute ist die Situation unbefriedigend, weil der in der Klassischen Mechanik fast ausschließlich benutzte Begriff des stationären Zustandes inkompatibel mit demselben in der Quantenmechanik ist.
AS:
Und: sie verändern sich historisch viel schneller als vielleicht die physikalischen.
PE:
Nehmen wir den Begriff Eigentumsverhältnisse. Ist er ein anderer in der Sklavenhaltergesellschaft als im Feudalismus?
AS:
Ich würde da nicht zu viel vereinfachen wollen um der Gemeinsamkeiten willen.
PE:
Es geht nicht um Vereinfachung, sondern um Methodologie.
Meine Mutter war Historikerin. Ich habe sie bei einigen Feldforschungen begleitet. Bei methodologischen Fragen haben wir immer weitgehende Übereinstimmung gefunden.
AS:
Was Wissenschaft vor anderem Anschauen oder Denken auszeichnet, ist, dass sie wesentliche Zusammenhänge (das sind letztlich die „Gesetze“) erkennbar macht, die man auf den ersten Blick weder in der Natur noch der Gesellschaft ohne sie sehen/erkennen würde. WIE sie das konkret macht, das kann für jeden Gegenstandsbereich und jede Wissenschaft sehr unterschiedlich sein.
PE:
Wie gesagt, es geht mir um Methodologie.
AS:
Man kann Marxens „Kapital“ wirklich nicht gut, außer in allerallgemeinsten Zügen, mit einer physikalischen Theorie vergleichen.
PE:
Ich hatte auf bestimmte Gemeinsamkeiten in der Rezeption großer Entwürfe abgehoben, nicht mehr und nicht weniger.