Ich bin ziemlich gespannt auf das neue Buch von Naomi Klein. Der Titel gibt das Thema an:
Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima.
Reißerisch rät der Werbetext: „Vergessen Sie alles, was Sie über den Klimawandel zu wissen meinten: Es geht nicht nur um CO2-Emissionen, es geht um den Kapitalismus!“ Das konnte man natürlich auch schon länger wissen. Naomi Klein beschäftigte sich seit 2009 verstärkt mit diesem Thema. Seither hat sie eine Fülle von Informationen zusammen getragen, die unendlich wertvoll sein wird in den weiteren Auseinandersetzungen um die Alternative katastrophaler Klimawandel oder Kapitalismus.
Ich habe bis jetzt nur die Einleitung gelesen und fühle mich sehr vertraut mit den Überlegungen von Naomi Klein. Die zentrale Botschaft ist für mich, wie auch für viele KlimaaktivistInnen nicht neu. Wir, d.h. Menschen aus der die Zukunftswerkstatt Jena, verwendeten in Vorträgen schon länger die Losung:
„Wer vom Klimawandel redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.“
Genau genommen, war der begründete Zweifel, dass der Kapitalismus – obgleich er beschränkte soziale Reformen in seiner Geschichte in regional beschränkten Bereichen durchaus realisieren konnte – bei der ökologischen Wende bei weitem weniger erfolgreich sein würde, für uns einer der Hauptgründe, uns über den Sieg der angeblich so demokratischen kapitalistischen Gesellschaftsform über die Sozialismusversuche 1990 nicht so sehr zu freuen, sondern diesen Sieg als Pyrrhussieg zu betrachten.
Seit spätestens 1992 kennen wir die Hoffnungen, dass der kapitalistischen Kapitalakkumulationslogik Reformen abgerungen werden können, mit denen schließlich eine Art „Grüner Kapitalismus“ möglich sein würde. Aus ziemlich grundsätzlichen Gründen konnten wir daran nie so recht glauben – inzwischen ist der Streit darum, wer Recht hatte, hinfällig. Hier und heute ist es zu spät mit „sanften Reformen“ einen Wandel hin zu einer lebensfähigen Lebensform zu erreichen. Einer der Vorreiter ökologisch-kapitalistischer Innovationen, Rüdiger Lutz, verzweifelte schon um die Jahrtausendwende am Verlust dieser Illusion. Naomi Klein schildert, dass die Klimaverhandlungen letztlich ein „quasi ununterbrochener Prozess von Rückschritten“ (21) darstellt. Der weltweite CO2-Ausstoß war 2013 um 61 Prozent höher als 1990. (ebd.) In den 90er Jahren stiegen die jährlichen Emissionen um ca. 1 Prozent jährlich. In den 2000er Jahren stieg dieser Wert auf 3,4 Prozent (32). Für das schon zweifelhafte Ziel, den Anstieg der Temperatur auf 2 Grad Kelvin zu beschränken, bleibt auch nach optimistischen Schätzungen nur noch Zeit bis 2017, um umzusteuern.
„Die Emissionen steigen so rasch an, dass 2 Grad aus heutiger Sicht wie ein utopischer Traum erscheinen…“ (23)
Denn das würde erfordern, dass die reichen Länder ihre Emissionen um ca. 8-10 Prozent jährlich reduzieren. Schon geringere Emissionssenkungen geschahen bisher nur „bei wirtschaftlichen Zusammenbrüchen oder schweren Konjunkturrückgängen“ (33), die unter den jetzigen Wirtschaftsverhältnissen anscheinend niemand wünschen kann.
Warum gelang ein Umsteuern nicht, als es noch nicht so brutal hart war, obwohl die Fakten doch ziemlich klar sind? Dass sie für viele nicht klar zu sein scheinen, sondern von Klimawandelleugner lautstark in Zweifel gezogen werden, ist Teil des Problems.
Für Naomi Klein vollzieht sich die Geschichte innerhalb von machtpolitischen Interessen. Demnach entscheiden nicht die harten Fakten, sondern machtpolitische Prioritäten (15). Und diese wiederum sind verbunden mit Weltanschauung, Ideologie, kulturellen Prägungen, also Faktoren, die im marxschen Kontext als „ideell“ charakterisiert werden. Naomi Klein zeigt trotzdem anhand der unübersehbaren Erscheinungen auf, in welchem Maße die Handlungen vor allem der konservativen Wirtschaftsakteure durch die ökonomische Logik bestimmt werden. Für die Politik der Regierungen sieht sie einen wesentlich größeren Handlungsspielraum und als progressive Akteure erkennt sie all jene, die unter dem Entwicklungstrend aus einer Mixtur von kapitalistischer Globalisierung und weitergeführter Umweltzerstörung, wie er sich jetzt abzeichnet, nur verlieren können, deren Überleben und deren Lebensqualität an die Zurückdrängung dieser Trends gebunden sind.
Dabei gibt es ja die genannten ideellen Faktoren und sie sind wirkmächtig. Deshalb ist die Konzentration auf diese Sphäre der Auseinandersetzung nicht nur ein Nebenschauplatz, sondern die Erkenntnisse von Naomi Klein hierzu sind wichtig.
Sie sieht als solche ideellen Faktoren, die dazu führen, dass der durch die kapitalistische Wirtschafts- und Lebensweise verursachte Klimawandel nicht ausreichend gesehen oder gar geleugnet wird, vor allem im „Marktfundamentalismus“ , also Gedankengebäuden, die vor allem mit der Phase der sog. „Globalisierung“ des Kapitalismus seit den 70er- …80er Jahren desvorigen Jahrhunderts verbunden sind.
Positive Wendung
Naomi Klein sieht den Klimawandel aber nicht nur als Problem, sondern sie diskutiert eine positive Wendung: Der Klimawandel könnte „eine treiben Kraft für die Menschheit werden […] um uns nicht nur besser vor Wetterextremen zu schützen, sondern unsere Gesellschaften in vielerlei Hinsicht sicherer und gerechter zu machen“ (16) . Klimawandel wäre dann ein „Katalysator für positiven Wandel“ (ebd.),bzw. ein „Weckruf für die Zivilisation“ (38).
„Eine machtvolle Botschaft – überbracht in der Sprache von Feuern, Überschwemmungen, Dürren und Artensterben -, die uns dass wir ein von Grund auf neues Wirtschaftsmodell brauchen, und eine neue Art, die Erde miteinander zu teilen. Die uns sagt, dass wir uns weiterentwickeln müssen.“ (38)
Naomi Klein macht deutlich, dass es nicht bloß um eher geringfügige Veränderungen im Konsumverhalten gehen kann. Der oben schon genannte Satz wird weiter geführt:
„Die Emissionen steigen so rasch an, dass 2 Grad aus heutiger Sicht wie ein utopischer Traum erscheinen, wenn wir unser Wirtschaftssystem nicht von Grund auf ändern.“ (23)
Ein bisschen weniger Konsum, ein wenig weniger Wachstum reicht nicht aus. Es ist nicht nur eine Frage der Menge des Verbrauchs oder der Emissionen, es ist eine Frage der Art und Weise der Wirtschaftsentwicklung.
„Was unser Klima braucht, um nicht zu kollabieren, ist ein Rückgang des Ressourcenverbrauchs durch den Menschen; was unser Wirtschaftsmodell fordert, um nicht zu kollabieren, ist ungehinderte Expansion. Nur eines dieser Regelsysteme lässt sich verändern, und da sind nicht die Naturgesetze.“
Zwar wird uns stets und ständig, fast per Gehirnwäsche, eingetrimmt, der real-existierende Kapitalismus sei die einzige Wirtschafts- und Lebensform, mit der wir überleben könnten, aber das ist nicht wahr: Eine andere Wirtschaft, eine andere Lebensweise, eine andere Welt ist möglich!
„Entscheidung“
Leider gibt es nicht nur die Möglichkeit dieser positiven Wendung. Viel wahrscheinlicher scheint es erst einmal zu sein, dass die mit dem Klimawandel verbundenen schockartigen Erschütterungen im Sinne der von Naomi Klein schon früher untersuchten „Schock-Strategie“ dazu genutzt werden, viele Menschen ihrem traurigen Schicksal zu überlassen und selbst anscheinend rettende Festungen zu errichten. Krisen bieten immer auch „Geschäftsmöglichkeiten“, ob für Versicherungen oder private Milizen.
Schon vor 3 Jahren veröffentlichte Naomi Klein zentrale Gedanken aus dem neuen Buch. Ich berichtete davon in meinem Blog. Hier schilderte sie bereits, dass die „Rechten“, d.h. die Konservativen, die den menschengemachten Klimawandel beinah hysterisch leugnen, in ihrer Angst vor der umstürzenden Bedeutung des Klimawandels durchaus Recht haben!
Wenn gefragt wird:
„Handelt es sich bei dieser ganzen Bewegung nicht bloß um ein grünes Trojanisches Pferd, in dessen Bauch rote, marxistische Sozialökonomie steckt?“ (zit. S. 46),
so steckt darin Wahrheit: Wenn der menschengemachte Klimawandel tatsächlich droht, drohen auch all jene Notwendigkeiten der wirtschaftlichen Umgestaltung, die eine gewisse Elite von Wirtschaftsführern und -vordenkern fürchtet wie nichts anderes, weil sie ihrem Grundkonzept der Privatisierung von Gewinnen und Externalisierung der gesellschaftlichen Kosten, der Entsolidarisierung, der Unterwerfung aller Lebensregungen unter die Profitakkumulation, die sie als „Globalisierung“ seit mehr als 30 Jahren ziemlich erfolgreich vorantreiben, fundamental widersprechen.
„Ich glaube, diese beinharten Ideologen verstehen die eigentliche Bedeutung des Klimawandels besser als die meisten „Klimahysteriker“ in der politischen Mitte, die immer noch so tun, als könne es eine schrittweise und schmerzlose Lösung für das Problem geben und als müssten wir uns mit niemandem anlegen, nicht einmal mit den Fossilkonzernen.“ (60)
Wir stehen als menschliche Zivilisation an einem Scheidepunkt: Der Kapitalismus als für viele Menschen einigermaßen funktionierende Produktions- und Konsumtionsmaschinerie wird sowieso verschwinden. Die Alternative besteht zwischen einer neuen Art Barbarei, bei der jede/r sich auf Kosten anderer zu retten versucht – oder der gemeinsamen Suche nach neuen lebenswerten Wirtschafts- und Lebensformen. Es kommt nach Naomi Kleindarauf an, „inwieweit des der Masse jener Menschen gelingt, die im derzeitigen System schlecht abschneiden, eine gesellschaftliche Macht zu bilden, die entschlossen und vielgestaltig genug ist, die Machtverhältnisse zu ändern.“ (38)
Im Moment scheinen in unseren Regionen jene einen starken Zulauf zu haben, die sich zuerst einmal gegen alle Flüchtlinge abschotten wollen, die aufgrund der vielfältigen Krisen in aller Welt bei uns Schutz suchen. Ich will wirklich nicht glauben, dass dies unsere Zukunft bestimmt.
Vieles, was in den 90er Jahren und nach 2000 eher „fakultativ“ war bei der Entstehung neuer sozialer und ökologischer Bewegungen, von denen viele auch ihre Blütezeit bereits überschritten haben, wird nun immer stärker überlebensnotwendig:
„…wenn es einen Existenzgrund für soziale Bewegungen gibt, besteht er nicht darin, herrschende Werte als feststehend und unveränderbar zu akzeptieren, sondern alternative Lebensentwürfe anzubieten – einen Krieg der kulturellen Weltanschauungen zu führen und zu gewinnen.“ (81)
Naomi Klein fragt sich auch, warum auch Linke und Linksliberale den Klimawandel zu stiefmütterlich behandeln. Sie hat keine überzeugende Antwort darauf. Sie erwähnt, „dass wir inzwischen nicht nur glauben, wir wären zur Selbsterhaltung nicht in der Lage, sondern wir wären es gar nicht wert, gerettet zu werden.“ (83) Das wäre letztlich selbstgefälliger Zynismus, denn letztlich denkt doch eigentlich jede Person, die so redet ja doch, sie selbst und vielleicht wenige Auserwählte seien davon ausgenommen, aber „der Mensch an sich“ sei ja nicht wirklich anders als ausgebeutet, entmündigt, fremdorganisiert überlebensfähig. Das Thema „Kapitalismus und Klima“ hat also noch weitere weltanschauliche Fundierungen, die im Geschichtsverständnis und dem „Menschenbild“ liegen.
Ein weites Feld für Debatten, bitte lasst sie uns führen und verbreiten.
- Demnächst werde ich weitere Gedanken zum Inhalt des Buches von Naomi Klein ergänzen.
- Hier gibt’s Links zu anderen Veröffentlichungen von uns zum Thema des Klimawandels
Mai 3, 2015 at 5:09 pm
Vor einiger Zeit habe ich zum ersten Mal den Begriff „Energiesklave“ gehört. Ein „Energiesklave“ entspricht der Menge an Energie, die ein Mensch erzeugen kann, der 8 Stunden täglich mit 40 km/h in die Pedale tritt. Ein Deutscher kommt nach dieser Rechnung auf 250, ein Amerikaner auf 500, ein Chinese auf 70, ein Inder auf 25 und ein Schwarzafrikaner auf 3 solcher Energiesklaven.
Mag sein, dass im Detail diese Rechnung nicht stimmt, weil es sehr schwierig ist zu erfassen, was einzelne Menschen an Energie verbrauchen. Und natürlich beschäftigen wir im Keller keine Fahrrad fahrenden Sklaven, sondern gewinnen diese Energie, die über unsere Eigen-Energie hinausgeht, aus fossilen Brennstoffen, Atom- oder alternativer Energie.
Trotzdem gibt diese Überlegung eine Vorstellung vom eigentlichen Problem.
Es ist nämlich dieser exorbitante Energieverbrauch, der die Erde überlastet, und zwar nicht nur durch Kohlendioxid, was beim Klimawandel im Vordergrund steht. Die Energie wird hauptsächlich dafür verwendet, in irgendeine Weise die natürlichen Ressourcen in Abfall zu verwandeln. Das Problem ist, dass die Erde diesen Abfall nicht verkraftet.
Selbst wenn wir im Westen nach unseren Vorstellungen „ökologisch“ und „umweltbewusst“ leben, reduzieren wir unsere Energiesklaven um vielleicht 10, 20 oder 50 Einheiten. Dann verbrauchen wir aber immer noch die Energie von 200. Wenn ein Chinese, ein Inder, ein Schwarzafrikaner danach streben, die Zahl ihrer Energiesklaven entsprechend zu erhöhen, haben wir daher nicht das Recht, ihnen das auszureden. Im Gegenteil, aus Gründen der Gerechtigkeit müssen wir das sogar befürworten.
Ich sehe nicht, wie diese gigantische Kluft zwischen industrialisierten und Entwicklungsländern zur Zufriedenheit aller zu schließen ist. Alle Öko-Maßnahmen sind doch nur Kosmetik, deren Zweck ist, dieses Problem des maßlosen Energieverbrauchs zu verschleiern.
Kommt das exorbitante Bevölkerungswachstum hinzu, das die Welt in den letzten 100 Jahren erlebt hat und das noch einige Zeit so weitergehen wird.
Wenn wir jedem Menschen 200 „ökologische“ Energiesklaven zubilligen, haben wir 1960 einen energetischen Fussabdruck von 600 Milliarden Menschen und 2010 einen von 1,4 Billionen Menschen hinterlassen.
Allein dem Kapitalismus den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben, greift anhand solcher Daten meiner Ansicht nach zu kurz.
Wenn ich in einen Öko-Laden gehe, sehe ich sehr viele Produkte aus Ländern, die sehr weit weg sind und deren Transport eine Menge Energie verschlingt: Reis, Miso, Kuzu, Tofu, Orangen, Bananen, Kokosöl, was auch immer. Das ist für mich ein deutliches Zeichen, dass auch die Öko-Bewegten nicht im Geringsten bereit sind, auf ihre Energiesklaven zu verzichten.
Wie also sollen die „lebenswerten Wirtschafts- und Lebensformen“ ganz konkret aussehen? Sollen wir wieder die Hacke in die Hand nehmen und das Feld von Hand bearbeiten? Sollen wir den Strom rationieren? Wer von uns ist dazu bereit? Ich denke, mit solchen Fragen kommen wir dem Grund näher, warum der viel beschworene Wandel nicht gelingt
Mai 10, 2015 at 8:13 am
Wie dies „ganz konkret“ aussehen „soll“, können weder ich noch andere jetzt als Blaupause erarbeiten und dann vorschreiben. Das kann nur aus der Aktivität möglichst vieler Menschen entstehen. Wenn viele nicht ständig mit Hacke und Spaten arbeiten wollen – und ich gehöre dazu – werden wir uns was einfallen lassen müssen, wie wir unsere Bedürfnisse befriedigen, ohne die natürlichen Grenzen überzustrapazieren.
Für die Landwirtschaft gibt es die Permakultur zu entwickeln, für die Industrie tut sich sogar in den noch kapitalistischen Formen Spannendes, etwa die Möglichkeit dezentral-vernetzt, produktiv und bedürfnisorientiert zu produzieren (da wird einiges beantwortet, was in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts z.B. Simone Weil, die selbst die tFließbandarbeit kannte, hilflos fragte: Wie können wir herrschaftsfrei, also ohne auch technische Unterordnung von Körper und Geist selbstbestimmt kooperieren?).
Mai 30, 2015 at 6:37 pm
Die Weltgetreideproduktion beträgt jährlich derzeit ca. 2,5 Milliarden Tonnen.
Immer noch hungern 800 Millionen bis 1 Milliarde Menschen.
Beim biologischen Anbau verringert sich bei gleichen Flächen der Ertrag um etwa 1/3.
Bei Permakultur dürfte der Ertrag noch weiter sinken. Vor allem sind wir für Permakultur viel zu viele Menschen auf dem Planeten.
Vergrößerung der Anbauflächen bedeutet weitere Abholzung der Wälder.
In den letzten 300 Jahren hat der Mensch bereits die Hälfte des gesamten Waldbestandes der Erde abgeholzt.
Allein, um die Ertragsmenge zu erhalten resp. zu vergrößern, wird man also bei der industriellen Produktion bleiben müssen. Wenn zudem viele Menschen nicht mit Hacke und Spaten arbeiten wollen, sowieso.
Was für Aktivitäten der Menschen meinst Du denn?
Glaubst Du, Gott lässt wieder Manna vom Himmel regnen, um die Milliarden Menschen satt zu machen?
Wenn ich die Wirtschaftsentwicklung beobachte, sehe ich in Europa, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufklafft bei gleichzeitiger Vernichtung des Mittelstandes. Die dezentral-vernetzten Projekte exisiteren, in der Dynamik der Gesamtentwicklung sind sie nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Weltweit ist zu beobachten, dass die Entwicklungsländer aufholen, was bedeutet, dass die Menschen in den Entwicklungsländern mehr „Energiesklaven“ beanspruchen. Diese Energiehunger will erst mal befrieidigt werden. Wo soll die Energie herkommen?
Wie können wir ohne technische Unterordnung von Körper und Geist herrschaftsfrei kooperieren?
Wir werden doch schon längst von der Technik beherrscht, da wir ohne Technik auf hohem Niveau doch überhaupt nicht mehr überlebensfähig sind. Der Ausweg, den viele Menschen wählen, ist die Flucht in die virtuelle Welt des Internets und der Computerspiele, und das bedeutet: noch mehr Beherrschung durch Technik.
Ich fürchte, ein paar schöne Worte und die Hoffnung auf die Aktivität vieler Menschen sind angesichts der Problematik ein bisschen wenig.
Mai 8, 2015 at 8:42 pm
Klingt nach dfer Vorstellung, dass man den Klimawandel mit der Fürsorglichkeit der Stasi, und der Weisheit des Politbüros und seiner Verlautbarungsorgane hätte in den Griff kriegen können. Oder wie ist das gemeint?
Mai 10, 2015 at 8:16 am
Wieso „klingt“ das für Dich nach dieser Vorstellung? Wenn uns schon klar war, dass der Kapitalismus das nicht hinkriegt, wieso sollte es da nur die Alternative von Stasi und Politbüro geben? Wir kennen uns doch nun schon lang genug, und in meinem Blog steht genug darüber, dass Du wissen müsstest, dass wir uns in vielen links-öko-alternativen Bereichen umgesehen haben und Impulse von daher aufnehmen, um eben nicht in der Falle dieser ausschließenden Alternativen zu landen.
Mai 10, 2015 at 9:20 am
„Es klingt so“ heißt, dass die Möglichkeit eines Missverständnisses besteht. hinsichtlich deines Statements, dass eure Vorahnung der mangelnde Fähigkeit, innerhalb kapitalistischer Produktions- und Aneignungsstrukturen ökologische Reformen in hinreichendem Ausmaß durchzusetzen „einer der Hauptgründe (war), uns über den Sieg der angeblich so demokratischen kapitalistischen Gesellschaftsform über die Sozialismusversuche 1990 nicht so sehr zu freuen“ .
Natürlich gibt es viele Gründe, sich nicht darüber zu freuen, dass Sozialismusversuche scheitern. Aber die Chancen, das menschliche Handeln zur ökologischen Vernunft zu bringen, sind nach der Implosion des „realozialistischen“ Spuks gewiss nicht kleiner geworden. Dass die Anfang der 90er Jahre verbreitete Hoffnung auf eine ökologische „Friedensdevidende“ scheiterten hat vielerlei Gründe, einer ist der, dass gerade die links-öko-alternativen Bereiche rund um den BUKO die Perspektive der nachhaltigen Entwicklung und die entsprechenden UN-Prozesse meinten, wegen Integrationsgefahr bekämpfen zu müssen
Mai 10, 2015 at 12:14 pm
“ Dass die Anfang der 90er Jahre verbreitete Hoffnung auf eine ökologische “Friedensdevidende” scheiterten hat vielerlei Gründe, einer ist der, dass gerade die links-öko-alternativen Bereiche rund um den BUKO die Perspektive der nachhaltigen Entwicklung und die entsprechenden UN-Prozesse meinten, wegen Integrationsgefahr bekämpfen zu müssen“
Meinst Du wirklich, die „Perspektive der nachhaltigen Entwicklung und die entsprechenden UN-Prozesse“ sei durch eine Bekämpfung durch die „links-öko-alternativen Bereiche rund um den BUKO“ verhindert worden???
Ich denke,da machst Du Fronten auf, wo sie nicht existieren und unterschätzt die Eigendynamik des kapitalakkumulativen Systems.
Mai 10, 2015 at 1:53 pm
Ich unterschätze die Dynamiken natürlich nicht, die die privateigentümlichen Formen der Aneignung gesellschaftlicher Produktion entfachten. Ich studiere und analysiere sie täglich. Was ich dazu zu sagen habe kann man unter anderem hier nachlesen. https://oekohumanismus.wordpress.com/2014/05/07/wachstum-oder-post-wachstum-ist-nicht-die-frage/
Falsche Fronten, wie sie allerdings nicht von mir, sondern etwa von den anti-öko-kapitalistischen Linken aufgemacht werden, machen die Sache aber erst wirklich hoffnungslos.
Mai 8, 2015 at 9:40 pm
Sollte vielleicht weniger eine Sache des Glaubens sein. Angewandte Dialektik würde in meinen Augen bedeuten, danach zu schauen, welche neuen Gegensätze, Bündnismöglichkeiten, Erfahrungen und daraus gewonnene Erkenntnisse mit verschiedenen Versuchen der Kapitalismusbegrünung gemacht werden (können) , was in dem Kampf um zum Beispiel das Zwei Grad Ziel (das die Wahrscheinlichkeit einer nicht mehr zu beherrschenden Klimasause angeblich auf unter 30 Prozent halten soll) die jeweils nächsten Stufen sein können in Richtung historischen Katastrophenschutz ist und wie das zur (öko-) kommunistischen Perspektivbildung d.h. letztlich zur Etablierung eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagements als Grundlage des Weltwirtschaftens.
Als wir Ende der 1998er und Anfang der 1990er das Klimabündnis der indigenen Amazonasvölker mit Europäischen Städten und Kommunen ins Leben gerufen hatten hatte ich die Hoffnung, dass sich daran Kristallisationskerne einer „öko-kommunistischen“ Perspektivbildung entwickeln ließen. Aber Berlin trat zwar bei, aber das politische Establishment fand das Klimabündnis mit den „Indianern“ eher peinlich. und was sich links oder gar marxistisch nannte ignorierte das eben auch Heute gibt es das Klimabündnis noch, aber es dümpelt eher so vor sich hin. Sicher auf eine sympathische Weise, aber .. Nunja.
http://de.wikipedia.org/wiki/Klima-B%C3%BCndnis
Noch einmal allgemein: Wer über die Überwindung kapitalistischer Grundstrukturen redet, sollte sich dafür interessieren, was innerhalb des bürgerlichen Lagers die am Weitesten in diese Richtung gehenden Elemente, Ansätze, Initiativen usw. sind, wie sich diese stützen ließen und unter welchen Umständen sich daraus gesellschaftliche Kräfte entwickeln, die die notwendige Transformation des Weltwirtschaftens tatsächlich auch möglich machen.
Ich denke, dass die Verabschiedung der UN-Nachhaltigkeitsziele im September die Ansätze sind an denen entlang strategische Entwürfe kommen werden, die vielleicht aus dem Zurückgeworfensein aufs hilflose Herumphilosophieren heraus führen.
Empfehlenswerte Webseiten zum Thema Klima:
http://klima-der-gerechtigkeit.boellblog.org/
http://www.klimafakten.de/
http://www.klimaretter.info/
Mai 8, 2015 at 9:45 pm
Ein Abschnitt ist etwas verunglückt und deshalb neu:
Angewandte Dialektik würde in meinen Augen bedeuten, danach zu schauen, welche neuen Gegensätze, Bündnismöglichkeiten, Erfahrungen und daraus gewonnene Erkenntnisse mit verschiedenen Versuchen der Kapitalismusbegrünung gemacht werden (können) , was in dem Kampf um zum Beispiel das Zwei Grad Ziel (das die Wahrscheinlichkeit einer nicht mehr zu beherrschenden Klimasause angeblich auf unter 30 Prozent halten soll) die jeweils nächsten Stufen sein können in Richtung historischen Katastrophenschutz und unter welchen Umständen das zur (öko-) kommunistischen Perspektivbildung beitragen kann d.h. letztlich zur Etablierung eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagements als Grundlage des Weltwirtschaftens.
Mai 8, 2015 at 10:46 pm
Also dringt sie immer noch nicht zur Erkenntnis des Problem vor, dass eben gerade auch die beklagten „ideellen Faktoren“ wozu nicht nur „der Marktfundamentalismus“ sonder bereits die alltäglichen Vorstellungen von Recht oder Unrecht gehören, aus den materiallen Behauptungsbedingungen, d.h. z.B. dem „Markt-MECHANISMUS“ notwendig hervorgehen. Ich habe versucht, diesen Vorgang 2008 in dem Text „Sind wir des Warensinns“ zu erläutern
https://oekohumanismus.wordpress.com/2008/11/23/sind-wir-des-warensinns/
Das bedeutet aber auch, dass die Vorstellung, einem bedauernswerten Opfer-WIR bzw. Opfer-UNS anzugehören, dass tagein tagaus „von den Medien und der Werbung manipuliert wird“ eine recht oberflächliche Wahrnehmung verrät und die Herausbildung eines „ökokommunistischen“ Bewusstseins auch nicht wesentlich durch sensationalistisch aufgemachte Aufklärungsschriften einer Naomi Klein erreicht werden kann, die sich ja selbst bis vor Kurzem zum Thema Klimawandel nicht geäußert hatte (aber immerhin jetzt, nach über 25 Jahren!). Die Motivationen, Erkenntnisse und realen Bewegungen, die eine Transformation wirklich bewerkstelligen könnten, können sich in hinreichender Qualität und Quantität nur aus Erfahrungen mit ernsthaften Versuchen entwickeln, öko-kapitalistische Fortschritte zu erreichen.
Besser als subjektivistisch über das „Nichtsehen“ kapitalistischer „Lebensstile“ oder „Lebensweisen“ zu klagen und irgend einen „Wahn“ dafür verantwortlich zu machen, ist es allemal, Schritte der Politisierung bzw. Kollektivierung von Konsumentenverantwortung zu sichten und zu unterstützen wie etwa Kampagnen zur ökologischen Reform des Beschaffungswesens usw.. Wenn die Grünen nicht mehr über Ökosteuern reden wollen, so muss man sagen, dass die Super-Anti-Kapitalisten eben auch kein Bewusstsein davon entwickelt haben, dass über Ökosteuern nicht schweigen sollte wer von der Notwendigkeit einer Kapitalismusdämmerung redet.
Die folgende Petition zur ökologischen Reform der Mehrwertsteuer finde ich z.B. beachtenswert: Verdient Unterstützung, auch wenn das eine eher aussichtslose Initiative eines grünen Einzelkämpfers ist – oder gerade deshalb. https://weact.campact.de/petitions/okologische-mehrwertsteuerreform-fur-eine-wende-bei-nahrung-verkehr-energie-und-produktherstellung
Dezember 7, 2016 at 9:29 am
Ich stelle die Gegenthese auf: Der Klimawandel ist ohne Kapitalismus nicht zu bewältigen. Der Kapitalismus ist eine der erfolgreichsten Erfindungen der Menschheit. Er besteht in Form des Tauschhandels schon seit mindestens mehreren zehntausend Jahren. Die Weiterentwicklung in Form des Bankenwesens und weltweiten Handels ging in der Historie einher mit stark erhöhtem Lebensstandard der betreffenden Regionen (siehe die Geschichte Chinas, Roms, der arabischen und persischen Reiche, Italien zur Renaissance, der Hanse, usw.).
Alle Versuche, den Kapitalismus ernsthaft abzuschaffen, gingen und gehen mit großen Katastrophen mit teilweise Dutzenden Millionen Todesopfern einher (Ein Auswuchs: „Der Große Sprung nach vorn“, China). Umgekehrt, dort wo der Kapitalismus in größeren Bereichen wieder eingeführt wurde (China, Kuba der Neuzeit), ging der Lebensstandard sofort nach oben.
Ohne sehr hohen Energieverbrauch und ohne Kapitalismus wird die Menschheit nur auf geringem Niveau (sowohl in Anzahl als auch Lebensstandard) existieren können. Umgekehrt jedoch ist hoher Energieverbrauch nicht zwingend klimaschädlich, und den Umweltschaden könnte man reduzieren – wäre der Wille in der Bevölkerung da, dafür viel Geld auszugeben. Doch selbst diesen sehe ich nicht.
Den Impuls, das gesamte System umzukrempeln, weil den Menschen Detail-Verbesserungen zu mühselig sind, kann ich nachvollziehen, halte ihn aber für potentiell Katastrophen-beschwörend. Die meisten Komplett-Revolutionen sorgten für einen schrecklichen Zustand und meist danach zu einer De-Facto-Rückkehr zum Status Quo. Während graduelle Revolutionen fast immer besser waren. Könnten wir bitte nun endlich weiser sein und den Kapitalismus entschlossen sozial und im Klimaschutz reformieren, aber bitte nicht abschaffen?
Dezember 7, 2016 at 6:59 pm
Meine Argumentation baut nicht darauf, „dass den Menschen Detail-Verbesserungen zu mühsehlig sind“. Unsere Thesen sind tatsächlich sehr gegensätzlich. Meine These stützt sich auf Konzepte, die leider nicht mal schnell daherzusagen sind. Insgesamt vermischen sich hier auch zwei Probleme:
1. Energieverbrauch: Du schreibst „Umgekehrt jedoch ist hoher Energieverbrauch nicht zwingend klimaschädlich“. Doch. Jeder Energieverbrauch ist letztlich eine Energieumwandlung von hochwertiger Energie (mit geringer Entropie) zu niederwertiger Energie (mit viel Entropie). Sogar wenn wir viele „saubere“ Fusionskraftwerke hätten, würde die dort in verbrauchbare Formen umgewandelten Energien nach ihrem Verbrauch in Form von Wärme an die Atmosphäre abgegeben. Auch diese Wärme würde alle Probleme eines Klimawandels mit sich bringen, die jetzt durch den Treibhauseffekt schon eher verschärft kommen.
2. Kapitalismus: Ich denke, es ist immer eine Frage, in welcher Region und für welchen Zeitraum man eine „Bilanz“ macht. Und für wen eine Verbesserung der Lebensbedingungen möglich ist, und für wen nicht, und auf wessen Kosten, und was das seine Nachfahren in den nächsten Generationen kosten wird.
Auch der Kapitalismus hat bei seiner Einführung und während seinen Verteidigungskämpfen und seinen Raubzügen viele direkte und noch mehr indirekte Totesopfer gekostet. Genau das war ja das Motiv vieler Menschen, sich für eine Alternative einzusetzen. In den letzten Jahrzehnten mögen die „Gewinne“ für eine große Schicht in China ganz gut gewesen sein, aber genau diese verschärften den CO2-Anstieg extrem.
Meine Bedenken, dass es nicht mit dem Kapitalismus geht, schöpft sich neben den Erfahrungen aus erfolglosen Versuchen, den Kapitalismus ökologisch umzustrukturieren, die mittlerweile ein Vierteljahrhundert laufen, aus strukturellen Überlegungen (Kapitalismus ist ja per Definitionen keine Veranstaltung zur Bedürfnisbefriedigung, sondern zur Profitmaximierung und im Zweifel geht Profit immer vor menschlichen Bedürfnissen und Natur – Bedürfnisse werden nur „nebenbei“ befriedigt, wenns unbedingt sein muss, weil man sonst keinen Profit machen kann… Im Kapitalismus sind die Interessen der Unternehmen und auch der Menschen in unterschiedlichen Positionen per se strukturell gegeneinander ausgerichtet, was ein gemeinsames Wirken für die Interessen aller extrem erschwert usw. usf. . Dass eine privilegierte Schicht über längere Zeit ein relativ hohes Lebensniveau haben kann, basiert immer auf der umso verstärkteren Ausbeutung anderer Menschen und der Natur…
Vielleicht noch eine Überlegung: In der Geschichte der Menschheit kam es immer wieder zu relativ abrupten Wechseln der Wirtschafts- und Gesellschaftsform. Warum soll gerade der Kapitalismus sakrosankt sein?
Und aus der Sicht jeder vorübergehenden Form konnte man sich noch nicht vorstellen, wei es mal anders gehen sollte (außer bei einigen theoretischen Vorüberlegungen über Demokratie etc. vor der bürgerlichen Revolution vor dem Kapitalismus). Dass wir heute noch keine ganz klaren Vorstellung haben, wie alle Menschen ihre Bedürfnisse so befriedigen können, ohne dass sie das auf Kosten anderer Menschen (anderswo oder anderswann) geht oder der Natur, ist ja kein Argument dagegen, genau das auszuarbeiten und zu versuchen. Die Zeit ist reif und meiner Meinung nach ist es eben auch notwendig.
Dezember 8, 2016 at 9:03 pm
Welche praktiische Konsequenz soll deiner Meinung nach eigentlich für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte aus der Erkenntnis gezogen werden, dass ausreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung (Verlust der relativen Klimastabiilität des Holozäns) nicht mit „dem“ Kapiitalismus zu machen ist?
Übrigens:
>blockquote>Bedürfnisse werden nur „nebenbei“ befriedigt, wenns unbedingt sein muss, weil man sonst keinen Profit machen kann
Dazu: https://oekohumanismus.wordpress.com/2016/01/22/beduerfnisse-als-keimform-des-kommunismus/
Dezember 9, 2016 at 5:06 pm
„Welche praktiische Konsequenz soll deiner Meinung nach eigentlich für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte aus der Erkenntnis gezogen werden, dass ausreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung (Verlust der relativen Klimastabiilität des Holozäns) nicht mit „dem“ Kapiitalismus zu machen ist?“
Weiß ich noch nicht und es ist auch nicht meine Aufgabe, das allgemeingültig abzuleiten. Es ist eine interessante Frage, was das für jede und jeden von uns bedeuten könnte. In der Zeitschrift OYA, die ich über die Commonsdebatte kennengelernt hatte, wird schon länger nicht mehr einfach an einen hoffnungsvollen letztendlichen Übergang an rettende Ufer geglaubt, sondern man spricht und schreibt dort maximal über die Vorbereitung einer Post-Kollaps-Zeit.
Auf jeden Fall verbiete ich mir keine Erkenntnis, nur weil herauskommt, dass unsere bisherige Weise, mit Problemen umzugehen, hier nicht funktioniert. Als „bisherige Weise“ meine ich: Man schildert (die eigene Sicht auf die) Problem, analysiert sie und leitet dann möglichst Handlungsanweisungen ab und schlägt die dann auch noch anderen vor…
Vielleicht brauchen wir als erstes erst mal eine Erschütterung, eine Ent-Täuschung, eine Verzweiflung darüber, dass es eben auf die bisherige Weise nichts mehr wird…
Ich selbst bin mit ziemlich sicher, dass die Menschen, wenn sie mehr und mehr in die desaströsen Lebensverhältnisse rutschen, die eutrophierte Gewässer, versauerter Ozean, Phosphormangel, Folgen des Klimawandels, damit verbundene soziale und politische Verwerfungen… mit sich bringen, dann selbst für sich neue praktische Antworten finden müssen und werden, die wir jetzt sicher noch nicht erahnen können. Hoffentlich er-finden sie genug humane und kooperative Weisen, damit umzugehen, als dass sich die allgemeine Barbarei verallgemeinert. Ich habe dafür kein Patentrezept.
Dezember 10, 2016 at 6:10 pm
Zu 1.) Zur Entropie, das stimmt, ist aber ein anderes Thema. Der Aussage, dies wäre für das Klima relevant, widerspreche ich vehement. Die Klimawirkung unserer gesamten Abwärme sämtlicher Verbrennungsprozesse ist Stand heute nahezu irrelevant. Sie beträgt 0,034 W/m², während der menschengemachte Anteil des Treibhauseffekt mit 2,92 W/m², also nahezu dem Hundertfachen, zu Buche schlägt. Unsere Abwärme erhöht die Welttemperatur nach IPCC-Angaben zur Klimasensitivität um potentielle 0,027°C, wobei nur ein Teil dieser Erwärmung bereits stattfand. Nach der in Zukunft vollzogenen Temperaturerhöhung strahlt unsere Abwärme per Wärmestrahlung in den Weltraum – wie im Übrigen auch die Treibhauswärme, aber dort ist die dafür nötige Temperaturerhöhung ungleich höher. Letztere ist das Problem. 0,027°C sind in keiner Weise schädlich und werden durch natürliche selbst kurzfristige Schwankungen (z.B. der Sonneneinstrahlung oder Albedo-Änderungen) bei weitem übetroffen.
Dezember 10, 2016 at 8:10 pm
“ Die Klimawirkung unserer gesamten Abwärme sämtlicher Verbrennungsprozesse ist Stand heute nahezu irrelevant.“
Und das sollte sie auch bleiben. Deshalb spricht alles dagegen, neue Quellen zu eröffnen, deren exorbitante Erschließungskosten (wie bei Kernfusion) danach schreien,dann auch massenhaft angewandt zu werden und bei weiterhin exponentiellem Wachstum des Verbrauchs (wie er mit wenigen Einknicken durch Ölkrise etc.) in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen war, dann schließlich in den Bereich zu kommen, in dem es relevant wird.
Der Kürze der Argumentation war es sicher geschuldet, dass unklar blieb, das mir klar ist, dass derzeit diese Gefahr noch gering ist. Aber schon in den 70er Jahren machte Meyer-Abich darauf aufmerksam (K. M. Meyer-Abich, Die ökologische Grenze des Wirtschaftswachstums, Umschau 72 (1972) Heft 20) – dieser Hinweis ging bei der Orientierung auf die Treibhausgase meist verloren und es wird immer wieder die Ansicht vertreten, man bräuchte nur eine treibhausgasneutrale Energiequelle (Kernkraft), und dann könne der Energieverbrauch (und sein Wachstum) so weiter gehen wie bisher…
Dezember 10, 2016 at 10:36 pm
Atomkraft ist ne,benbei gesagt, keineswegs klimaneutral.
Februar 3, 2017 at 12:28 am
Für ausreichend Erschütterung sollte ja jetzt der klimawandelleugnerische Trumputinismus sorgen.
Und worauf es ankäme, wäre, statt der – zugegebenermaßen süßen – Versuchung zu erliegen, sich mit Wallmart zu verbrüdern, weil dessen verständliche Sorge um einen Handelskrieg und meine als Konsument um günstige Lebensmittel uns gemeinsam gegen die von der Milliadärsqunta im Weißen Haus (die von gelernten Faschisten geleitet wird) anvisierten Strafzölle aufbringt, sondern stattdessen Konzepte und Forderungen in Richtung einer Welthandelsstruktur zu erarbeiten, die internationale Institutionen berechtigt, Strafzölle für Raubbau zu erheben und befähigt das Geld in Maßnahmen zu leiten, die die Realisierung der UN-Nachhaltigkeitsziele, des 1,5 Grad Ziels usw. ermöglichen könnten.
Also eine Perspektive zu entwickeln, die an Marx öko-kommunistischen Humanismus anknüpft: https://oekohumanismus.wordpress.com/2016/11/11/entzivilisierung-stoppen/
Dezember 9, 2016 at 6:10 pm
Na, das ist doch was.
Dezember 9, 2016 at 6:23 pm
Wie ist diese Bemerkung gemeint?
Es war tatsächlich ein längerer Prozess, an dessen Ende ich mir jetzt sicher bin, dass ich nicht jeden Vortrag und jeden Text mit einem doch noch irgendwie optimistischen Ausblick beenden will. Das nervt mich, wenn ichs von anderen höre oder lese und ich selbst hätte auch keine besseren Begründungen für einen Optimismus als „Was nicht sein darf, kann nicht sein…“ (nämlich, dass es für so eine Art Hoffnung auf „Wende im letzten Augenblick“ keinen Grund mehr gibt).
Dezember 9, 2016 at 11:12 pm
Damit ist natürlich nicht illusionäres Hoffnungschöpfen per optimistiischem Pfeifen im Gruselwald gemeint. Es geht derzeit darum, nicht vom Trumputin gefressen zu werden der sich auch durch die viele heiße Luft so furchtbar aufblähen konnte, die vom „linken“ Antiismus emitiiert wird.
Arbeite gerade an einem Blogeintrag in dese Richtung. Was ich meine, kannst du aber auch meiner Kritik am ökosozialistischen Manifest entnehmen. https://oekohumanismus.wordpress.com/warum-ich-beim-okosozialistischen-manifest-nicht-mitgehe/
Juni 20, 2023 at 12:21 pm
Naomi Klein: „Was unser Klima braucht, um nicht zu kollabieren, ist ein Rückgang des Ressourcenverbrauchs durch den Menschen; was unser Wirtschaftsmodell fordert, um nicht zu kollabieren, ist ungehinderte Expansion.“
Das sehe ich anders. „Unser Wirtschaftssystem“ ist kein einheitlich organisiertes System, sondern sehr vielfältig. Viele Wirtschaftsbranchen haben es in der Geschichte bereits geschafft, ihre Aktivitäten und Einflusszonen zu verringern, ohne dabei zu kollabieren. Z. B. wurde der westdeutsche Steinkohlebergbau im Laufe von 50 Jahren planmäßig abgewickelt, und der zuständige Konzern, die ehem. Ruhrkohle AG, existiert immer noch. Er ist durch das Schrumpfen nicht kollabiert. Bei der Deutschen Bahn gab es den widersprüchlichen Umstand, dass sie in den 1990er Jahren privatisiert, also kapitalistisch gemacht wurde und zugleich geschrumpft ist (was in diesem Fall bedauerlich war). Den Krankenhäusern steht gerade ein ähnlicher Prozess bevor.
Offenbar ist die Fähigkeit kapitalistisch organisierter Konzerne, ohne Wachstum auszukommen oder sogar zu schrumpfen, größer als gemeinhin angenommen. Das Wachstumsdogma könnte also genau zu den konservativen Ideologien gehören, die Naomi Klein an anderer Stelle zurecht analysiert und angreift. Gerade Wirtschaftspolitik ist mit Dogmen gepflastert.
Juni 21, 2023 at 7:49 am
Wir hätten das gern vor 30 Jahren theoretisch diskutieren können. In den letzten 30 Jahren ist die Zeit aber verloren gegangen, in der man noch hätte hoffen können. Offenbar ist es in der kapitalistischen Wirtschaft nicht gelungen, ausreichend zu „schrumpfen“. Das nötige Maß (auch bezüglich Rohstoffen) war seit Mitte der 1990er Jahre bekannt (im Zusammenhang mit Studien zur „Nachhaltigkeit“).
Wie sehr sogar Städte davon abhängen, innerhalb der Standortkonkurrenz immer weiter wachsen zu müssen, können sie sehen, wenn Sie sich kommunalpolitisch im Bereich des Klimaschutzes engagieren. Einigen Städten – auch im Kapitalismus – gelang es, Autos aus der Stadt rauszudrängen oder auch den Wachstumszwang zu vermeiden… aber nicht das ist der Trend, sondern immer noch anders rum. Für ein „Schrumpfen per design“ ist es mittlerweile global gesehen schon zu spät, wir werden viel „Schrumpfen per desaster“ erleben und der Hauptgrund liegt … na, im kapitalistischen konkurrenzvermittelten Wachstumszwang. Oder können Sie eine Firma gründen, ohne dem Finanzamt wachsende Umsätze zu versprechen?
Juni 21, 2023 at 8:52 am
Ich habe seit 2002 eine Firma – OK, kein Konzern, sondern eine Ich-AG – und noch nie jemandem wachsende Umsätze versprochen. Klar, konventionellen Investoren muss man das versprechen, aber einhalten muss man das Versprechen dann nicht unbedingt. Konzerne oder Städte schrumpfen nicht freiwillig, aber wenn es sein muss, tun sie es doch, ohne zu kollabieren. Wir müssen ihr Gezeter über drohendes Chaos nicht glauben und nicht reproduzieren. Und das gilt, denke ich, irgendwie auch für Desasterprophezeiungen auf unserer Seite. Wer den Vulkan beschwört, löst damit eher Partys aus.
Juni 22, 2023 at 10:25 am
Wenn die Ich-AG noch steuerlich als Unternehmen gewertet wird, muss sie wenigstens verlässlich Gewinne ausgewiesen haben. Nicht erfüllte Versprechen werden im Rahmen der Konkurrenz ziemlich verlässlich abgestraft, das kann man doch nicht als das Wesentliche von Möglichkeiten betrachten. Grad im Osten haben wir viele Erfahrungen, mit welchen Illusionen manche Unternehmer/n nach 1990 angetreten sind, bis sie dann doch „wachsen oder weichen“ (oder dahinkräpeln) mussten, Städte und Regionen werden nach ihrer Wirtschaftskraft bewertet/ haben Steuereinkommen oder verrotten und werden von den Menschen verlassen (wodurch es ihnen nicht besser geht)… Es ist kein Zufall, dass vieles andere ständig massiven Wandlungen unterworfen ist, aber nicht der Wachstumszwang. Das ist wie ein Fahrrad, dass ohne Fahrt nicht stabil steht. Wir brauchen aber eine andere Art von Wirtschafts- und Lebensweise. Wie schon erwähnt, der Kapitalismus hatte mindestens 30 Jahre Zeit, eine „nachhaltige“ Wirtschaft hinzukriegen. Hat er aber nicht. Nicht mal ansatzweise. Viele von uns haben schon zu lange darauf gewartet und wohl auch gehofft… Nun werden wir einen „Degrowth per desaster“ bekommen statt ein „Degrowth per design“…
Nun ja, Desaster braucht man nicht mehr prophezeien, sie sind da und nehmen mehr und mehr zu.