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Ausbremsen der Photovoltaik durch das Energiekonzept


Die Emotionen schlagen weiterhin hoch. Ein Solarexperte beschwerte sich, dass „nach den Preisstürzen“ nun noch zusätzlich die sinkende Solarförderung zu verkraften sei und immer wieder werden die zigtausend Arbeitsplätze genannt, die nun auf dem Spiel stehen. Meiner übrigens auch…

Aber trotz dieses Interesses kann ich meinen Kopf nicht ausschalten.

Es kann schon sein, dass die Preise für Solaranlagen, d.h. für Solarmodule und Solarzellen nun so stark gesunken sind, dass sie den Vorsprung, den die Industrie mit ihren Kostensenkungen über mindestens einige Monate hatte, aufgebraucht ist. Was ich mit dieser Kostensenkung meine, hatte ich schon mal erklärt. Es kann sein, dass die Preise (Verkaufspreise von Solarzellenherstellern an Modulhersteller bzw. der Solaranlagen an Betreiber) nun so weit gefallen sind, wie auch die Herstellungskosten (der Industrie für Zellen, Module etc.). Natürlich hätte die Industrie gern weiterhin einen möglichst großen „Gap“, den eine hohe Einspeisevergütung ermöglicht: Die Kunden erhalten für 20 Jahre eine bestimmte Einspeisevergütung – d.h. sie können höhere Einkaufs- und Installationspreise verkraften und die Industrie steckt sich die Differenz zwischen weiterhin hohen Verkaufspreisen und gesenkten Kosten ein. Zur Zeit brauchen sie den Gewinn gar nicht mal für eine höhere Ausschüttung, sondern sie wollen ihn durchaus reinvestieren in Forschung und Entwicklung. Das tut auch Not, denn der internationale Konkurrenzkampf tritt in eine entscheidende Phase ein: Viele Länder haben nach einem ungeheuren Solar-PV-Boom nämlich ihre Förderung für Solarstrom gekappt, so dass einige Märkte für Solarzellen eingebrochen sind (z.B. Spanien 2008). Es haben sich aber schon viele Solarfabriken etabliert und auch viele Firmen aus dem früheren Mikroelektronikbereich sind in den Solarmarkt eingestiegen. Es geht nicht mehr nur darum, wer wieviel neue Märkte erobert, sondern immer mehr Firmen müssen sich den Zuwachs teilen und wer nicht mithalten kann in der Innovationsgeschwindigkeit, ist in Gefahr, auskonkurriert zu werden. So ist das halt im real existierenden Kapitalismus…

Was bedeutet nun die Reduktion der Einspeisevergütung in der BRD um zusätzliche 16 % (für Dachflächen) ab 1.7.2010?

Schauen wir noch mal auf einige Zahlen:

Bislang war man von einem jährlichen Zubau an neuen Solarstromanlagen von 1…1,5 GW pro Jahr ausgegangen. Für deren Solarstromproduktion sind 20 Jahre lang die entsprechenden Einspeisevergütungen garantiert. Das entspricht einer Fördermenge von ca. 500 Millionen Euro. Der Zubau 2009 lag aber schon bei knapp 4 GW. Das machte die Verbraucherschützer mobil, denn dadurch ergeben sich viel höhere Summen als geplant für die Einspeisevergütung, die durch die Stromkunden getragen werden muss. Deshalb war zu befürchten, dass wie in anderen Ländern auch, der Zubau von PV-Anlagen auf die eine oder andere Weise „gekappt“ wird.

Mit den neuen Beschlüssen, mit der nicht wie noch vor einigen Monaten gefordert, 30% Senkung, sondern „nur“ 16% Senkung zur Debatte stehen, kommen wir dann zwar zu einem Wachstum der absoluten Solarförderung, aber zu einer für die Stromkunden erträglichen:

Wenn für die weitere Installation lediglich 6 GW Zubau berechnet werden, so kommen nach einer Senkung der Einspeisevergütung um 16% für die zwanzig Jahre immer noch rund eine Milliarde Euro heraus!!! Die Solarförderung steigt also trotz gesenkter Einspeisevergütung.

Nochmal zum Mitschreiben:

„Die Förderung für jede einzelne Anlage wurde zwar reduziert, der Gesamtetat aber gewaltig vergrößert.“

Dieses Zitat stammt aus der Zeitschrift PHOTON (Februar 2010, Anne Kreutzmann, S. 3), die natürlich aus der Branche heftig gescholten wird für dieses Verständnis gegenüber den Anpassungen an die unerwartet dynamische Entwicklung, die aus Sicht der Einzelanlage also eine „Kürzung“ ist, von der Ausgabenseite aber eine „Steigerung“.

Was bedeutet das für verschiedene Interessengruppen?

  • Solaranlagenbetreiber können aufgrund der gesunkenen Preise immer noch eine Rendite von 7,5 % erreichen – es ist also nicht zu erwarten, dass der Markt „einbricht“, wie in anderen Ländern, wo der Zubau gekappt werden musste.
  • Die Solarindustrie muss natürlich die gesunkenen Kosten an die Preise weiter geben und ist dadurch noch stärker gezwungen die Kostensenkung voran zu treiben. Dies verschlechtert die Situation für innovationsschwache Firmen – ist aber sowieso der einzige Weg, international konkurrenzfähig zu bleiben. Den Großen wird dadurch der Kampf gegen die Kleineren, Schwächeren sogar erleichtert…
  • Die Stromkunden müssen zwar absolut mehr bezahlen für die Finanzierung der Einspeisevergütung (was Geringverdiener besonders hart trifft, weil sie überproportional viel für Energie ausgeben müssen)- bekommen dafür aber auch einen deutlichen Wandel der Energiequellen-Struktur in Richtung Erneuerbare Energien:
  • Für die Erneuerbaren Energien aus PV insgesamt ist – weil durch die neuen Anpassungen die Gefahr einer „Kappung“ weitgehend verhindert wurde – weiterhin optimistisch zu prognostizieren, dass um 2020 ein Solarstromanteil von mehr als 10 % erreicht werden kann.

Das neue Heft der PHOTON macht im Redaktionskommentar und auch in einem Leserbrief noch auf einen weiteren wichtigen Punkt der neuen Regelungen aufmerksam: Die Vergütung für selbst verbrauchten Strom wird angehoben. Das ist eine Förderung der Dezentralität des PV-Stroms und fördert damit auch die dezentrale Energiespeicherung.

An anderer Stelle (S. 98) wird auf ein ganz anderes Problem der Wirkungsfähigkeit des Erneuerbaren Energien-Gesetzes aufmerksam gemacht:

Im EU-weiten Emissionshandel ist die Menge an CO2, die ausgestoßen werden kann, von vornherein festgelegt – egal wieviel Erneuerbare Energie erzeugt wird. Wenn mehr Erneuerbare Energie anfällt, stehen mehr Zertifikate für den Kohlestrom zur Verfügung, wodurch die Preise für die Verschmutzungsrechte verfallen und der Steuerungseffekt der Zertifikate konterkariert wird…

Und es geht noch weiter: die überflüssigen Zertifikate können dann z.B. an polnische oder slowakische Kohlekraftwerke verkauft werden, die dann dank unserer Windräder oder Solaranlagen mehr CO2 emittieren können…

Verrückte Welt, wenn die Steuerungshebel sich gegenseitig in die Quere kommen und die Umwelt dabei systematisch den Kürzeren zieht…


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