Die 3. „Free Culture Research Conference“ war mir eine Reise nach Berlin wert. Ich schaffte es auch, die Paper, die mich interessierten, auf der Zugfahrt zu lesen. Erstaunt war ich darüber, dass diese Konferenz tatsächlich Menschen aus allen Teilen der Welt vereinte, wir sprachen z.B. mit einer Chinesin, die derzeit in Singapoore lebt und sich mit freier Musikproduktion und -verteilung beschäftigt.
„Ökonomische Nachhaltigkeit“ als Re-Integration in die kapitalistische Logik?
Ich kann natürlich nur wenige Punkte, die mir auffielen, ansprechen (siehe weiter unten noch zu „Fab Labs als neue Form der Produktion“). Dazu gehörte die Einschätzung von Geert Lovink in seiner Keynote, dass sich die Bewegung für Freie Kultur nicht mehr nur mit politischen und rechtlichen Fragen der Absicherung von Freier Kultur beschäftigen solle, sondern sich darum sorgen müsse, auch ökonomisch „nachhaltig“ zu werden und dafür ökonomische Geschäftsmodelle zu suchen. Damit wird eine Richtung eingeschlagen, die zu Diskrepanzen innerhalb der Aktiven im Bereich Freier Kultur führt. Das wurde in einem kurzen Diskussions-Schlagabtausch zwischen Christian S. und Geert L. deutlich:
Christian war der Meinung, mit der Suche nach Geschäftsmodellen versuche man ein Problem zu lösen, das gar nicht existiert, denn die Freie Peer-Produktion beruht von ihrer Logik her grundsätzlich nicht auf dem „Geld-Verdien“-Prinzip und holt sich mit der Neufokussierung auf ökonomischer „Nachhaltigkeit“ die Logik der Kapitalverwertung wieder mit herein. Genau dies war für Geert L. die Ansicht, gegen die er sich stellt. Es könne nicht mehr angehen, dass die Produzenten freier Inhalte tagsüber irgendwo jobben müssten um dann abends ihre freien Produkte zu erzeugen…
Ich denke, diese Position entspricht direkt in den Lebensinteressen der Betroffenen, nicht zuletzt war es wohl die gegenwärtige Krise, die ein derartiges Doppelleben für viele nicht mehr oder immer schwerer ermöglicht, was jetzt stärker dazu führt, die freie Produktion selbst irgendwie doch in Geldverdienst (was im Englischen viel harmoser klingt: „making a living“) umzuwandeln. Chistian, der selbst so eine Art Doppelleben praktiziert, wird dann von anderen als zynisch wahrgenommen. Dabei geht es doch aber darum, die Unmittelbarkeiten zu hinterfragen, die dahinter verborgenen Vermittlungen in den Blick zu holen, die in den alltäglichen Handlungen unbewusst immer wieder bestätigten Logiken zu kritisieren.
Auch im ersten Panel, „New Forms of Production“, fiel mir auf, dass es ständig darum ging, irgendwie eine „hybride“ Form der Vereinigung von marktwirtschaftlichen und marktfremden Elementen zu finden. Dabei erschienen „Markt/Business“ und „Nicht-Markt/Nicht-Business“ stets wie zwei Pole auf einer Geraden. Zwar gegeneinander stehende Pole, aber doch Pole EINER Geraden. Dieses Bild beinhaltet ein mögliches Aufeinander-zu-wachsen, eine Vermittlung, eine „Versöhnung“. Dem widersprach in der Diskussion Stefan M., indem er ausführte, dass diese beiden Bereiche einer völlig unterschiedlichen Logik unterliegen und es hier keine „hybride Form“ geben könne, sondern höchstens ein „Interface“ während der Parallelexistenz beider Produktionsformen.
Fab Labs als „neue Form der Produktion“
Besonders interessant war für mich die das Panel „Neue Produktionsformen“.
In früheren Texten von mir, Eine andere Produktionswelt ist möglich und Rapid Producing, wird die Frage aufgeworfen, wie in einer nachkapitalistischen Gesellschaftsform auf andere Weise die notwendigen Güter produziert werden könnten. Ich griff dabei Anregungen von Frithjof Bergmann auf, der für sein Konzept des „High Tech Self providing“ (Selbstversorgung auf hochtechnologischer Basis) (siehe im verlinkten Text) auf die neu entstehende technische Basis der „Fabber“ (siehe ein Text von Reiner dazu) verwies.
Inzwischen sind weltweit wohl 45 sog. „FabLabs“ entstanden, in der vor allem solche Fabber zur Verfügung stehen, um damit „herumzubasteln“. Peter Troxler berichtete nun von einer Umfrage unter den FabLab-Betreibern. Die meisten sind für wenige Jahre gesponsert von Einrichtungen, sie sind oft an Universitäten verankert und Studierende sind auch die hauptsächlichen Nutzer_innen. Jetzt stehen alle vor dem Problem, sich ökonomisch bald auch selbst tragen zu sollen und sie suchen nach Geschäftsmodellen dafür. Noch haben sie wohl keine Lösung dafür gefunden (das „Vorbild“ wird in der Freien Software gesehen: Verdient wird dort ja nicht an der Software selbst, sondern an damit verbundenen Dienstleistungen).
Was mir wieder auffällt: Wir sind gedanklich-konzeptionell schon wieder viel weiter als die Realität. In der gelebten FabLab-Praxis scheint es keine Verbindung zwischen den von Neil Gershenfeld inspirierten FabLabs und den Neue-Arbeit-Konzepten und Projekten von Frithjof Bergmann zu geben. Und wo die Verbindung auch noch völlig fehlt, ist eine zwischen sozialen Projekten wie Umsonstläden oder Tauschringen zu den Keimformen neuer Produktionsweisen. Das Motto „Selbermachen“ ist da auch nicht besonders hilfreich: Man kann nicht alles selber machen…, die jeweils wenigen Aktiven sind mit ihren kleinen Projektchen, gebunden auch an Lebensort und individuelle Reichweite schon ziemlich ausgepowert. Aber letztlich sind das ja alles erst Anfänge…, vielleicht bin ich bloß zu ungeduldig.
Das solls nun auch gewesen sein von mir zu dieser Konferenz,
Oktober 10, 2010 at 1:39 pm
Fairerweise sollte man hinzufügen, dass ich ja auch gesagt hatte, es ginge (statt um neue Finanzierungsmodelle) vielmehr darum, wie man dafür sorgen kann, dass alles frei wird und niemand mehr Geld braucht. So ein Doppelleben (tagsüber irgendwo jobben müssen und abends freie Produkte erzeugen) als dauerhafte Lösung zu propagieren, liegt mir ja sehr fern.
Oktober 12, 2010 at 7:29 am
Eine interessante Reflektion des Fab Lab Konzepts vor einem arbeitsphilosophischen Hintergrund. Ich teile durchaus die Meinung, dass wir ‚gedanklich-konzeptionell schon wieder viel weiter [sind]‘.
Noch ist es halt spannender, ein Fab Lab zum Beispiel in Berlin statt in Brandenburg zu eröffnen. Es gibt hingegen durchaus auch Beispiele von anders ausgerichteten Fab Labs. Eines der ersten war das Lab in der South Bronx (als Teil von Sustainable South Bronx, http://www.ssbx.org/), Fokus ist hier Jugendarbeit. Oder das Fablab in Afghanistan (http://fablab.af) das unter anderem lokale Kommunikations- und Internetinfrastruktur für Unterricht, NGOs und ein örtliches Krankenhaus aufbaute. Im Fab Lab Netzwerk ist Resilience ein wichtiges Thema, … etc.
Allerdings sind im Gedanklich-Konzeptionellen Vereinfachungen schwer zu entdecken. So würde ich zum Beispiel Markt und Peer-Production nicht auf einer Geraden ansiedeln, sondern als (teilweise sich überlappende) Parallelwelten verstehen. Das Hybrid befindet sich dann in diesen Überlappungszonen. Schön deutlich wird das am Open Farm Tech Experiment (http://openfarmtech.org), das sich ‚the collaborative development of tools for replicable, open source, modern off-grid „resilient communities“‚ auf die Fahne geschrieben hat — aber damit die Prinzipien von P2P an die Grenzen bringt (siehe http://openfarmtech.org/index.php?title=Transparency): sie benötigen $10k pro Monat und haben (2009) knapp 4 % davon gesichert…
Oktober 13, 2010 at 4:09 pm
Vielen Dank für die interessanten Ergänzungen! Ich finde es ja auch gar nicht anstößig, dass die Projekte sich ums Geld kümmern müssen. Die Frage ist nur, wohin man von der Überlappungszone aus strebt. Und als Forschungsfrage: Was macht es jeweils aus dem Projekt, wenn es sich mehr in die eine oder mehr in die andere Richtung bewegt?
Wir kennen das ja von anderen alternativen Projekten. Da stand immer die Frage, ob man Staatsknete annehmen, bzw. sich darum kümmern solle oder nicht. Und bei FabLabs gehts nicht nur um die Raummiete oder so, sondern echt ums „Eigentum an den Produktionsmitteln“. Ich finde die (frühere?) Logik von Neil Gershenberg mit der Verkleinerung/Verbilligung der Fabber in Analogie zu den PCs schon faszinierend. Aber es geht wohl doch langsamer als gedacht. Und das Allerwichtigste sind ja die sozialen Entwicklungen, Erfahrungen, Bewegungen, die daraus erwachsen – wenn sie sich nicht von der Kapitallogik einfangen lassen…
Wir hatten auch schon mal mit der Idee (FabLab in Thüringen…) geliebäugelt, haben aber nicht den „Bums“, den wir dazu bräuchten.
Oktober 13, 2010 at 4:21 pm
Falls das mit den Fab Lab in Thüringen wieder aktuell werden sollte (Deutschland kommt nun auf den Geschmack, Aachen ist 1 Jahr alt, Nürnberg, Berlin, Bremen, … sitzen in den Startlöchern …) helf ich gern weiter.
Januar 31, 2011 at 1:31 pm
[…] zu bleiben und trotzdem Geld zu verdienen (siehe dazu Peter Troxler 2010, den ich auf der Free Culture Research Conference kennen […]