Ein Vierteljahrhundert geht dieser Zirkus nun schon. Eine Umwelt- und Klimakonferenz jagt die nächste. Jetzt macht der Zirkus wieder mal in Deutschland halt, beim Bonner Klimagipfel 2017. Die Lage könnte nicht ernster sein. Gerade wurde mitgeteilt, dass im Jahr 2016 die CO2-Konzentration um 50 Prozent schneller stieg als im Schnitt der vergangenen 10 Jahre. Neben einem Einfluss durch den El Nino-Effekt sind dafür wieder menschliche Aktivitäten verantwortlich. Und das hat Folgen (WMO 2017). Die bisherigen Emissionen führen bereits zu einem deutlichen globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg seit mindestens 40 Jahren:


Und in dem Vierteljahrhundert, seitdem Bemühungen um eine Reduzierung begonnen haben, wurde nur wenig erreicht. Der Anstieg überschreitet die damals prognostizierten pessimistischsten Szenarien. Dabei ist inzwischen bekannt, dass die Folgen einer globalen Erwärmung drastischer ausfallen, als noch gedacht wurde, als das 2-Grad-Ziel ausgerufen wurde. In Paris wurde deshalb anerkannt, dass der Temperaturanstieg bei unter 1,5 Grad gehalten werden müsse, um große Schäden zu verhindern. Davon sind wir weiter entfernt als je zuvor.

Das U.S. Global Change Research Program (2017) stellte gerade fest, dass die globale durchschnittliche Temperaturerhöhung 1 Grad erreicht hat und wir uns in der wärmsten Periode der Zivilisationsgeschichte (also der Zeit des sog. Holozäns) befinden. Sogar wenn die Treibhauskonzentrationen auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden könnten (also nicht mehr steigen, aber auch nicht sinken), würden aufgrund der jahrzehntelangen Wirkung des schon emittierten CO2 die Temperaturen um ungefähr 0,6 Grad weiter ansteigen (ebd.: 112). Für das Ziel einer Begrenzung auf 1,5 Grad ist es also letztlich schon zu spät. Ohne eine Reduktion geht es bis zum Jahr 2100 um bis zu 4,8 Grad hoch. Und dann geht es immer noch weiter… bis die letzten fossilen Brennstoffe verheizt sind (falls die menschliche Zivilisation nicht vorher kollabiert). Also sogar wenn das 1,5-Grad- und vielleicht auch das 2-Grad-Ziel verfehlt werden, kommt es darauf an, nicht aufzugeben. Es ist auch jetzt schon für viele Menschen und Regionen schon zu spät – jetzt kommt es darauf an, für so viele wie möglich Menschen und Regionen zu kämpfen, dass deren und unsere Lebensgrundlagen nicht noch mehr zerstört werden.

Die zahlenmäßig und in ihrer Stärke wachsenden klimabedingten Wetterextreme, die jetzt schon zu verzeichnen sind, werden schon beim jetzigen Niveau der Emissionen über lange Zeiträume hinweg anhalten. Einige Jahre lang nach 2000 frohlockten die Klimawandelleugner darüber, dass der globale durchschnittliche Temperaturanstieg eine Pause einzulegen schien. Inzwischen wurde festgestellt, dass dieser verlangsamte Anstieg mit der Pazifischen Dekaden Oszillation zusammen hängen könnte, die aller 20-30 Jahre einen Wechsel der Oberflächenwassertemperatur des Nordpazifiks beschreibt (ebd. : 43f.). Inzwischen deutet auch der globale durchschnittliche Temperaturanstieg wieder deutlich ins Wärmere. In einer Abbildung auf S. 119 werden die einzelnen Komponenten des Temperatursystems und ihre Beiträge an der Erwärmung dargestellt:

Seit mindestens Mitte der 90er Jahren sind die Gefahren bekannt. Wenn man sich die letzte Kurv ansieht, wird deutlich, dass sich seither fast nichts getan hat. Alle Bemühungen waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Was soll sich in den nächsten Jahren ändern? Die allermeisten Menschen interessiert es nach wie vor nicht; weder die Wachstums- noch Wohlstandsorientierung auf Kosten anderer wird deutlich in Frage gestellt. Im Gegenteil, der Anspruch anderer Menschen auf dem Globus auf ein erträgliches Leben wird von einer immer größeren Anzahl von Menschen, die dann auch entsprechende Wahlentscheidungen treffen, in Frage gestellt. Die Weichen sind tatsächlich auf vielen Ebenen in die falsche Richtung gestellt…

Die folgende Abbildung zeigt den historischen Verlauf (grau) und nötige Reduktionspfade in Abhängigkeit vom Zeitpunkt, an dem die Reduktion beginnt. Das einmal ausgestoßene Treibhausgas CO2 wirkt noch ungefähr 120 Jahre lang in der Atmosphäre, deshalb summiert es sich auf und je mehr bereits ausgestoßen wurde, desto schneller muss die Senkung der Emission erfolgen, wenn bestimmte Temperaturanstiegswerte nicht überschritten werden sollen.

Je später wir „in den Knick kommen“ (die Wende vom Ansteigen der Emissionen zu ihrer Senkung), desto radikaler muss das Maß der Reduktion sein. Da wir bereits ein Vierteljahrhundert verloren haben, wird diese Senkung immer drastischer und kaum noch ohne große Einschnitte erreichbar.

Der „Emissions Gap Report“ (2017), der jährlich die Lücke („gap“) zwischen den notwendigen Treibhausgasreduktionen und den wirklichen Emissionen erfasst, sagt die traurige Wahrheit. Das, was einzelne Länder zugesagt haben an Emissionsminderungen, beträgt, wenn die Versprechen erfüllt werden sollten, nur ein Drittel der nötigen Reduktion. Wenn alle Versprechen eingehalten würden, würde sich die globale durchschnittliche Temperatur um 3 Grad erhöhen. Das klingt nicht viel. Zuletzt herrschte eine solche Temperatur auf der Erde vor 3-5 Millionen Jahren – also im Pliozän -, mit eisfreiem Grönland und Westantarktis und einem 10 – 20 Meter höherem Meeresspiegel (vgl. U.S. Global Change Research Program (2017), S. 141). Die Veränderung erfolgt derzeit hundertmal schneller als bisherige Klimaveränderungen, so dass ökologische Netzwerke sich nicht gut genug anpassen können. Wir werden in näherer Zukunft nicht mehr nur unter den wachsenden direkten Zerstörungen durch Unwetter (Hurricans, Überschwemmungen, Dürren…) aufgrund der größeren Energie in der Atmosphäre und gestörten Stabilisierungsmechanismen leiden, sondern auch unsere Ernährungsgrundlagen werden nachhaltig gestört. Das pessimistischste Klimaszenario sagt für 2100 sogar eine globale durchschnittliche Temperaturerhöhung um 5-8 Grad voraus. Dann entspricht die Temperatur dem Erdzeitalter des Eozäns vor 33-56 Millionen Jahren, als es keine landbasierten Eisschichten gab. Nach dem Schmelzen des Eises von Grönland und der Antarktis ist ein Anstieg des Meeresspiegels um ca. 65 Metern zu erwarten. Pflanzen und Tiere hat es damals, trotz der Ausweitung von Dürregebieten, durchaus auch gegeben. Ob die menschliche Zivilisation auf dem derzeitigen Entwicklungsstand unter diesen Bedingungen weiter existieren kann, ist jedoch fraglich. Vor allem fanden bisherige Klimaveränderungen viel langsamer statt, so dass sich die ökologischen Netzwerke etwas besser anpassen konnten. Diesmal wird es nicht ohne extreme ökologische Verluste abgehen. Der Gedanke ist kaum zu ertragen, dass es so weit kommen könnte. Aber im letzten Vierteljahrhundert ist die Entwicklung trotz aller Bemühungen den pessimistischsten Erwartungen aus den 90ern gefolgt und hat sie sogar leicht überschritten.

Trotz dieser alarmierenden Aussichten will wohl niemand die Hoffnung aufgeben. Es soll nicht sein, was nicht sein darf. Neben eventuell möglichen Senkungen der Emission durch Effizienz (mehr oder wenigstens gleicher Wohlstand mit weniger Emissionen) und Suffizienz (Selbstbegrenzung) wird verstärkt nach technischen Lösungen der Vernichtung oder Bindung des Kohlendioxids gesucht. Die sowieso schon sehr geringe Hoffnung darauf darf aber nicht dazu verführen, emsig weitere Emissionen zu erzeugen. Nach dem neuesten Emission-Gap-Bericht dürfen 80-90 % der Kohlereserven und 35% der Ölreserven sowie 50% der Gasreserven nicht genutzt werden, sondern müssen im Boden bleiben, um erträgliche Klimaverhältnisse zu erhalten.

In den G20-Staaten kann für die letzten 3 Jahre angenommen werden, dass trotz steigendem Bruttosozialprodukt die Emissionen nicht stiegen; es wird nun schon von einer „Entkopplung“ des Wirtschaftswachstums von den Treibhausgasemissionen gesprochen. Allerdings konnte vor allem im Energiesektor die sog. „Karbonintensität“, also der CO2-Aussstoß pro Energieeinheit nicht gesenkt werden, weil die Energieerzeugung nach wie vor vorwiegend auf der Basis von Kohle und anderen fossilen Energiequellen erfolgt. Dass sich die Großdemonstration in Bonn vor allem für einen Ausstieg aus der Kohle einsetzte, war deshalb der richtige Anfang. Augenauswischerei wäre jedoch die Behauptung, dass ein Kohleausstieg ausreicht für den Klimaschutz.

Meist schaut man nach China oder Indien, wenn es um den Anstieg der Treibhausgase geht. Aber auch die Bundesrepublik ist von einer Erfüllung ihrer Ziele noch ein ganzes Stück entfernt. Um wie geplant den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55% zu reduzieren, müssten wir doppelt so viel CO2 einsparen wie in den vergangenen 25 Jahren. Wenn dies schon uns nicht gelingt, wie ist es von den Ländern zu erwarten, die uns auf dem Weg in den Kapitalismus und scheinbaren Wohlstand folgen? Wenn schon wir von einem recht hohen Level des Wohlstands aus nicht bereit sind, umzusteigen in eine klima- und naturverträgliche Lebens- und Produktionsweise, wie sollen jene, die durch unsere neoliberal-globale Wirtschaftsweise hineingedrängt werden, Alternativen finden?

Es wird nicht nur irgendein „Wandel“ sein, den das Klima erlebt. Es wird nicht nur ein wenig wärmer. Sondern uns droht ein Klima-Umbruch historischen Ausmaßes. Er wird auch einen gesellschaftlichen Umbruch mit sich bringen. Ob einen in Richtung Barbarei oder naturverträglicher Lebens- und Produktionsweise, das können wir noch entscheiden.